Veranstaltung: | BAG Frieden 16.-18.4.2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Änderungsanträge zum Wahlprogram |
Antragsteller*in: | Sarah Brockmeier, Maria Feckl, Martina Fischer, Gerrit Kurtz, Winfried Nachtwei, Tobias Pietz, Martin Pilgram, Horst Schiermeyer, Sonja Katharina Schiffers, Johanna Wolf de Tafur |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.04.2021, 16:18 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A27NEU: Beiträge zur zivilen Krisenprävention konkretisieren und Diplomatie für den Frieden stärken
Antragstext
Der Änderungsantrag bezieht sich auf den Absatz: „Vorausschauend für den
Frieden" (Zeilen 544-561). Der geänderte Absatz mit Ergänzungen in fett wäre
dann:
Vorrausschauend Kriege verhindern und Frieden fördern
Primat unserer Außen- und Sicherheitspolitik ist es, Gewaltkonflikte zu
verhindern. Sie setzt deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für
nachhaltige Entwicklung. Deutschland sollte bei der diplomatischen Entschärfung
von Krisen und in der Förderung von Ansätzen ziviler Konfliktbearbeitung auf
globaler Ebene einetreibende Kraftsein. Wir ergänzen den traditionellen
Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD)
und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. An
die Auslandsvertretungen in fragilen Staaten wollen wir mehr Diplomat*innen
entsenden sowie den Auswärtigen Dienst für dessen heutige Aufgaben fit machen.
Die Leitlinien “Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern” und
die darauf aufbauenden
ressortgemeinsamen Strategien wollen wir um einen Aufbauplan mit zivilen
Planzielen ergänzen. Die personellen und finanziellen Mittel für zivile
Krisenprävention sollten gezielt erhöht und durch eine Reform des
Zuwendungsrechts langfristig planbarer werden. Wir setzen uns dafür ein, die
Deutsche Stiftung Friedensforschung, den neu eingerichteten Fachbereich an der
Deutschen Hochschule der Polizei und andere wissenschaftliche Einrichtungen
sowie das Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) und auch die
Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung zu stärken. Wir wollen mehr
ressortgemeinsame Analysen, Krisenfrüherkennung und Projektplanung, eine engere
Abstimmung mit internationalen Partnern sowie einen ressortgemeinsamen und
angemessen ausgestatteten Fonds „Krisenprävention, Konfliktbewältigung und
Friedensförderung“. Wir wollen lokale zivilgesellschaftliche Konzepte und
Akteure in der Friedensförderung stärker unterstützen. Dafür muss das beim
Institut für Auslandsbeziehungen angesiedelte Förderprogramm ZIVIK aufgestockt
und dem Bedarf von NGOs in Krisenregionen besser angepasst werden. Auchden
Zivilen Friedensdienst (ZFD) wollen wir weiterentwickeln und bedarfsgerecht
ausbauen. Die Bedeutung von Friedensarbeit muss gesamtgesellschaftlich deutlich
sichtbarer werden.
Aus dem Antrag A51 von Maria Feckl, Martina Fischer, Martin Pilgram und Horst
Schiermeyer wurden folgende Anregungen übernommen:
- Der Titel enthält vorrausschauend Kriege verhindern
- Das „Primat“ unserer Außen- und Sicherheitspolitik.
- Der (leicht modifizierte) Satz: Deutschland sollte bei der diplomatischen
Entschärfung von Krisen und in der Förderung von Ansätzen ziviler
Konfliktbearbeitung auf globaler Ebene einetreibende Kraftsein.
- Das ZIF und die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung sowie der
Satz:Dafür muss das beim Institut für Auslandsbeziehungen angesiedelte
Förderprogramm ZIVIK aufgestockt und dem Bedarf von NGOs in Krisenregionen
besser angepasst werden
Antrag von: Sarah Brockmeier, Maria Feckl, Martina Fischer, Gerrit Kurtz,
Winfried Nachtwei, Tobias Pietz, Martin Pilgram, Horst Schiermeyer, Sonja
Katharina Schiffers, Johanna Wolf de Tafur.
Begründung
Der Änderungsantrag zielt insgesamt darauf ab, die Beiträge in der zivilen Krisenprävention zu präzisieren. Der Antrag tut dies, ohne den Absatz zu verlängern. Begründung im Einzelnen:
Gewaltkonflikte:
Es gilt, gewaltvolle Konflikte zu verhindern, nicht Konflikte per se.
Mehr Diplomat*innen an Auslandsvertretungen & Auswärtigen Dienst fit machen
Im Wahlprogramm stehen mehrere Forderungen, die nur mit einer Stärkung und Umstrukturierung des Auswärtigen Dienstes überhaupt umsetzbar sind (und wofür ein Ausbau des EAD und der GASP nicht ausreicht). Dies betrifft etwa die Forderung nach besseren Analysen für die Krisenprävention, stärkere Unterstützung der Vereinten Nationalen, bessere politische Einbettung von Einsätzen und Menschenrechtsreferent*innen an Botschaften. Während die Mittel für das Auswärtige Amt in den letzten Jahren stark gestiegen sind, ist der Personalhaushalt nur gering angestiegen. Da seit Anfang der neunziger Jahre stetig abgebaut wurde, gibt es jetzt in etwa genauso viele Diplomat*innen im AA wie in der Bundesrepublik zur Wendezeit. Alle Forderungen von "mehr politische Lösungen", "mehr Vermittlung", "mehr Austausch mit und Unterstützung von Zivilgesellschaft", "mehr Koordinierung mit anderen Gebern" etc scheitern auch daran, dass im Auswärtigen Amt dafür nicht die Kapazitäten bestehen. Gerade an den Botschaften von Krisenländern – oder denen, die es ggf. werden könnten - sitzen oft nur eine Botschafter*in und ein einziger politischer Referent. Der Antrag fordert deshalb für die bessere Krisenprävention die Entsendung von mehr Diplomat*innen an Botschaften in fragilen Staaten.
Das Auswärtige Amt schafft es bisher noch nicht einmal, ausreichend Personal für die Personalreserve einzustellen, deswegen wird hier nicht generell die Forderung nach „mehr Diplomat*innen“ gestellt, sondern die Forderung, den Auswärtigen Dienst insgesamt fit zu machen für das 21. Jahrhundert. Dazu würden etwa dringende Reformen bei der Arbeitskultur, Gleichstellung und Familienfreundlichkeit gehören, eine größere Durchlässigkeit zwischen den Ministerien, die Möglichkeit von Quereinstiegen, Reform von IT und Knowledge Management und weitere Reformen.
Streichung des Satzes zu „1000 Fachkräften“:
Allein im Rahmen der EU Civilian Headline Goals hat Deutschland bereits versprochen, bis zu 910 Polizist*en zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich sind heute bereits rund 300 ZFD-Friedensfachkräfte im Einsatz, rund 150 sekundierte Expert*innen über das ZIF in Friedensmissionen und 250-300 als Wahlbeobachter*innen. 1000 Fachkräfte wären damit kein ehrgeiziges Ziel.
Aufbauplan mit zivilen Planzielen
Konkrete Ziele zu setzen für den Ausbau der zivilen Kapazitäten der Krisenprävention wäre überfällig So kritisierte etwa der Beirat Zivile Krisenprävention und auch die Grünen-Fraktion in den letzten Jahren wiederholt die Bundesregierung dafür, dass sie die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ nicht mehr entsprechenden messbaren Kapazitätszielen unterlegt. Die Bundeswehr leitet aus dem Weißbuch in der „Konzeption der Bundeswehr“ konkrete Planziele ab, für den zivilen Bereich gibt es weder ein von der Bundesregierung formuliertes „Level of Ambition“ (Anspruchsniveau) noch konkrete Planziele. Das sollte eine Bundesregierung mit grüner Beteiligung ändern. (Quelle für Kritik des Beirats, zum Beispiel hier:https://peacelab.blog/uploads/Stellungnahme_Umsetzungsbericht_Leitlinien_Be--irat_Zivile_Krisenpr%C3%A4vention_2021_03_31.pdf).
Streichung des Satzes zur „EU-Mediationsreserve“:
Der Bezug zu EU-Mediationsreserve wurde rausgenommen, da der EAD bereits ein Mediation Support Team sowie einen Pool von EU-Mediator*innen hat. Es könnten gezielt mehr deutsche Mediator*innen im Auswärtigen Amt sowie für die Entsendung durch das ZIF gefordert werden, allerdings werden auch andere zentrale Bereiche der Krisenprävention nicht extra ausgeführt – z.B. die Rechtsstaatsförderung, Sicherheitssektorreform, Vergangenheitsbewältigung. Diese fallen alle unter die zivilen Kapazitäten für die in dem Absatz eine Stärkung sowie eine Aufbauplan gefordert wird.
Erwähnung des Zuwendungsrecht:
Das Zuwendungsrecht sollte explizit erwähnt werden, um den Kern des Problems zu benennen. Insbesondere bei der Projektförderung durch das Auswärtige Amt sind die Bedingungen so schwierig (z.B. Mittelausgabe innerhalb von sechs Wochen, Jährlichkeit), dass viele Nichtregierungsorganisationen diese gar nicht mehr beantragen, insbesondere kleine und lokale NGOs.
Ressortgemeinsame Analysen, Projektplanung, Abstimmung mit Partnern:
Es reicht nicht einfach, einen ressortgemeinsamen Fonds für die Krisenprävention zu fördern, vor allem müsste die Bundesregierung auch gemeinsame Analysen und das gemeinsame Planen voranbringen – auch über die durch diesen einen Fond finanzierten Projekte hinaus. Die 2019 eingeführten ressortgemeinsamen Instrumente der Gemeinsamen Analyse und abgestimmten Planung (GAAP) zwischen AA und BMZ sowie den im Praxisleitfaden genannten Mechanismen für die am Ressortkreis beteiligten Ministerien haben erst zu zögerlichen Schritten einer wirklich integrierten Analyse und Planung in wenigen Fällen geführt. Es braucht mehr politischen Druck, wirklich gemeinsam zu agieren.
Die Analysefähigkeiten sollten grundsätzlich gestärkt werden, nicht nur bezogen auf die Pandemie.
Lokale Zivilgesellschaft:
In diesem Absatz des Programms fehlte die lokale Zivilgesellschaft und lokale Akteure der Krisenprävention und Friedensförderung komplett – gerade deren Förderung sollte aber zentral sein.
Bedarfsgerechte Weiterentwicklung & Ausbau Ziviler Friedensdienst
Der Zivile Friedensdienst braucht nicht einfach mehr Geld, sondern sollte auch reformiert werden. So werden ZFD-Fachkräfte immer noch über Entwicklungshelferverträge entsendet. Das Entwicklungshelfergesetz baut aber auf einem veralteten, kolonialistischen Bild der Entwicklungshilfe auf. Entwicklungshelfer sind offiziell nicht Angestellte und bekommen kein Gehalt sondern eine Aufwandsentschädigung als Freiwillige. Entwicklungshilfe wird in diesem Sinne immer noch als idealistische Helfertätigkeit verstanden anstatt als professionelle Beratungstätigkeit bzw. Dienstleistung für die Partner vor Ort (IZ auf Augenhöhe). Arbeitsgesetze greifen kaum, da der EH-Vertrag offiziell kein Arbeitsvertrag ist: kein Mutterschutz, keine Elternzeit (weder Männer noch Frauen), Entwicklungshelferverträge werden nur an EU-Staatsbürger*innen vergeben, Expert*innen aus anderen Ländern können nicht unter Vertrag genommen werden und ein Süd-Süd-Austausch wird hier unmöglich gemacht.
Zudem können zivilgesellschaftliche Partnerorganisationen keine Gehälter über die Finanzierungstöpfe erhalten. In vielen Projekten können sie nur anfallende Ausgaben für Waren und Dienstleistungen erstattet bekommen, nicht aber ihre Arbeitszeit. Das führt dazu, dass viele lokale Menschen von der Friedensarbeit nicht leben können und sich anderen Tätigkeiten zuwenden.
Kommentare
Horst Schiermeyer:
"Im Programmentwurf besteht ein deutliches optisches Ungleichgewicht zwischen den Abschnitten, die sich auf Militär beziehen und dem Abschnitt zur Zivilen Krisenprävention. Dies entspricht auch der öffentlichen Wahrnehmung, in der die hervorragende Arbeit, die im Bereich der ZKP geleistet wird, kaum vorkommt.
Deswegen sollte dieser Abschnitt deutlich geschärft und präzisiert werden, angefangen mit der Überschrift. "Vorausschauend für den Frieden" löst bei den in das Thema "Zivile Krisenprävention" Eingeweihten klare Assoziationen aus, bei den Nicht-Eingeweihten aber fast gar keine. Dagegen macht "Vorausschauend Kriege vemeiden" jeder Leser*in sofort klar, worum es geht. Auch klarer ausdrücken sollten wir, dass die Verhinderung von Gewaltkonflikten nicht nur allgemein ein Ziel unserer Außen- und Sicherheitspolitik ist, sondern für uns das Primat hat.
Ein völliges Ungleichgewicht zwischen dem militärischen und dem zivilen Sicherheitsbereich besteht auch in finanzieller Hinsicht. Deshalb sollten wir hier eine deutlich bessere Ausstattung fordern."
Daniel Hecken: