1. Zur Wiedereinfügung des ursprünglichen Texts des Antragsentwurfs:
- Die Möglichkeit der Verschärfung der Sanktion muss weiter bestehen bleiben, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die russische Regierung den Konflikt weiter eskaliert. Die letzten Wochen haben das deutlich gezeigt. Eine Verschärfung von vorneherein auszuschließen lädt quasi zur weiteren Eskalation ein.
- Das Programm sollte deutlich benennen, dass wir zuvorderst von der russischen Regierung eine Implementierung des Minsker Abkommens erwarten. Eine Äquidistanz zu Kiew und Moskau ist hier nicht sinnvoll, denn ohne die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und militärische Intervention der russischen Regierung in der Ostukraine würde dieser Konflikt so nicht bestehen.
- Der Stopp von Nord Stream 2 sollte auch hier erwähnt werden, da es sich eben nicht nur um ein energiepolitisches, sondern auch um ein geopolitisches Projekt zum Nachteil der Ukraine handelt, das im Kontext des Russland-Ukraine-Konflikts betrachtet werden muss.
2. Übernahme von Ursulas Satz zur politischen und diplomatischen Konfliktlösung, da ich ihn unstrittig finde (wenn er auch keinen Unterschied zur aktuellen Praxis der Bundesregierung und Europäischen Union darstellt).
3. Streichung des Satzes zum NATO-Russland-Rat: Der Rat pausiert seit Sommer 2019, da der Kreml es ablehnt, dort den Russland-Ukraine-Konflikt zu thematisieren (https://www.sueddeutsche.de/politik/nato-nato-sucht-richtigen-kurs-im-umgang-mit-russland-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210324-99-953681). Aus grüner Perspektive ist es m.E.n. nicht sinnvoll, Russland hier entgegenzukommen, auch wenn es grundsätzlich wünschenswert wäre, dass der Rat wieder tagt. Wenn der Rat sich aufgrund der russischen Blockade mit dem zentralen Konflikt in der EU-Nachbarschaft nicht befassen kann, wie wertvoll ist er dann als Gremium insgesamt noch?
4. Streichung der Sicherheit in Europa gemeinsam mit Russland: In einer Situation, in der der Kreml völkerrechtswidrige Interventionen in der EU-Nachbarschaft betreibt und seine Handlanger Desinformationskampagnen und Auftragsmorde sogar innerhalb der EU durchführen, führt dieser Satz uns nicht weiter. Der komplexen Realität wird die zunächst möglicherweise unterstützenswert klingende Formulierung nicht gerecht. Unter anderem ist Sicherheit in Europa ist nicht nur gegen Russland nicht realisierbar, sondern auch nicht mit einem Kreml, der die Leitprinzipien der Schlussakte von Helsinki missachtet; und auch nicht gegen die Interessen von Staaten wie der Ukraine oder Georgien. Aufgrund der notwendigen Längenbegrenzung des Wahlprogramms ist vorzuziehen, diesen Satz zu streichen, anstatt ihn noch mehrfach zu präzisieren.
Kommentare
Horst Schiermeyer:
das finde ich ja ein wenig erstaunlich:
Der Satz zu Nordstream 2 im Programmentwurf (der Unsinn ist, weil der Import von Erdgas aus Russland in den nächsten Jahrzehnten stark abnehmen und damit keine geostrategische Waffe gegen oder für die Ukraine mehr sein wird) soll bleiben, aber die zentrale Erkenntnis früherer Jahrzehnte (die ich noch sehr bewusst mitbekommen habe angesichts eines damals noch viel gefährlicheren Gegners) "Sicherheit in Europa ist nicht gegen, sondern nur gemeinsam mit Russland realisierbar". soll aus Platzgründen wegfallen?
Und übrigens - um hier mal polemisch zu werden -, welche Sanktionen verlangen wir eigentlich gegenüber den USA angesichts deren immer wiederkehrenden Verstößen gegen das Völkerrecht und die Souveränität anderer Staaten?
Thomas Schmidt:
Der Ukraine-Konflikt ist Teil einer umfassenderen geopolitischen Rivalitätsdynamik, die die strategische Beziehung der beiden Nuklearwaffenstaaten betrifft, die gut 90% der weltweit existierenden nuklearen Arsenale betrifft.
Diese Rivalität - ungeachtet dessen, wer hier die Hauptverantwortung dafür trägt - hat zu einem extrem gefährlichen Spannungszustand zwischen diesen beiden nuklearen Supermächten geführt. Maßnahmen zur unverzüglichen Risikoreduzierung, Vertrauensbildung und Runterfahren der Spannungen sind existenziell und dringend notwendig. In der internationalen Wissenschaft gibt es hier keinen Zweifel. Hier nur ein Beispiel von vielen:
https://www.europeanleadershipnetwork.org/group-statement/nato-russia-military-risk-reduction-in-europe/
Dazu gehören unbedingt auch die Anerkenntnis - wenigstens die Kenntnisnahme - auch russischer Bedrohungswahrnehmungen und Sicherheitsinteressen.
Es ist eine Tatsache, dass Sicherheit in Europa - auch für die Ukraine - nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich ist.
Daher ist der A6 von Ursula strategisch richtig und klug. Die geforderten Änderungen von Sonja sind m. E. ein Rückschritt und strategisch falsch.
Georg Buchwieser:
Ich bin offen für Argumente, die einen praktikablen Klimaschutzpfad ohne Nutzung von türkisenem Wasserstoff zeigen (kenn ich jedoch nicht). Deshalb beinhaltet die vorschnelle Beerdigung und hinzuarbeitende treibhausgasarme Nutzung von Nord Stream evtl. dazu, dass neokoloniale Bedingungen in Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung bzw. Partnerschaftsabkommen mit Ländern mit noch fragwürdigeren Menschenrechtssituationen (wie S.-Arabien) die Folge sind.
Zugleich ist es auch wichtig, Russland nach Putin mit zu denken.