Veranstaltung: | BAG Frieden 16.-18.4.2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Änderungsanträge zum Wahlprogram |
Antragsteller*in: | Jan Schierkolk und Kristian Brakel |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.04.2021, 19:53 |
A46neu: Türkei-Passage differenzierter und konkreter machen
Antragstext
Antrag zum Entwurf des Bundestagswahlprogrammes, Änderungen bzw. Ergänzungen
fett markiert
Absatz auf S. 120-121:
Türkei
Die Türkei und Europa gehören zusammen. Deutschlands Beziehungen zur Türkei sind
nicht zuletzt durch die gemeinsame Migrationsgeschichte eng und vielfältig. Umso
mehr sind wir bestürzt, wie das Land gespalten, sowie immer näher an einen
autoritären Abgrund und weg von der EU getrieben wird. Wir stehen an der Seite
all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir fordern die sofortige Freilassung aller politischen
Gefangenen und die Aufnahme eines ernsthaften und nachhaltigen Dialog- und
Friedensprozesses in der kurdischen Frage. Gewalt als politisches Instrument,
von egal wem, wie auch die aggressive Außenpolitik der türkischen Regierung,
weisen wir entschieden zurück. Auch Deutschland und die EU haben gegenüber der
Türkei Fehler begangen. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt,
oder über die Vertiefung der Zollunion, kann es aber nur im Zusammenspiel mit
effektiver Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geben. Wir erkennen die enormen
Leistungen der Türkei bei der Aufnahme von aktuell ca. 4 Millionen vor allem
syrischen Geflüchteten an. Die bestehende Migrationsregelung mit der EU muss
aberendlich durch eine menschenrechts-, völkerrechts- und rechtsstaatskonforme,
sowie solidarische Vereinbarung ersetzt werden. Es braucht dafür auch
finanzielle und logistische Unterstützung vor Ort und eine verbindliche
Kontingentzusage zur Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die
EU. Wir lehnen es entschieden ab, dass Menschen in Deutschland von der
türkischen Regierung und ihren Unterstützer*innen instrumentalisiert oder gar
überwacht und bedroht werden. Es ist zudem auch unser aller Aufgabe, hierfür
durch ein besseres Miteinander weniger anfällig zu sein. Die aktuell schwierigen
Bedingungen werden uns nicht davon abhalten, persönliche, lokale und
zivilgesellschaftliche Brücken auszubauen bzw. neue zu errichten. Gerade der
deutsch-türkische Jugendaustausch und die Zusammenarbeit zwischen Städten und
Kommunen liegen uns am Herzen. Auch hierfür sind wir überzeugt, dass es endlich
Reisefreiheit für türkische Staatsbürger*innen nach Deutschland braucht.
Begründung
Der bisherige Absatz im Entwurf klammert die Bedeutung und Tiefe unserer Beziehungen zur Türkei aus, und verpasst damit eine wichtige Gelegenheit, die notwenige deutliche Kritik effektiver, weil erkennbarer aus Verbundenheit, zu üben.
Wir wollen so ein Zeichen setzen, für diejenigen in der Türkei, die gegen die aktuelle Regierungspolitik stehen, aber oft die Kritik aus dem Ausland als zu polemisch wahrnehmen.
Dazu gehört auch Selbstkritik, Differenzierung, und Anerkennung, wo diese angebracht sind.
Z.B.: Die seit Jahren enormen Leistungen der Türkei bei der Aufnahme von Geflüchteten einfach auszuklammern, schwächt sowohl unsere Kritik an der aktuellen Regelung zwischen ihr und der EU, wie auch unser Eintreten für Vielfalt und Aufnahmebereitschaft zuhause.
Außerdem lässt der Entwurf dadurch dass er z.B. nur die Instrumentalisierung türkeistämmiger Menschen in Deutschland thematisiert, eine wichtige Gelegenheit aus, uns auch diesbezüglich stärker als eine inklusive Gesellschaft zu definieren.
Genauso schärfen wir aber auch Kritik, Forderungen und Konsequenzen nach, wo dies angebracht ist. Z.B.: Unser Antrag…
- fordert die sofortige Freilassung pol. Gefangener;
- thematisiert nicht nur die Instrumentalisierung in Deutschland, sondern auch die Überwachung und Bedrohung von Menschen;
- stellt neben der Wiederaufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen (im Gegensatz zur aktuellen Bundesregierung!) explizit auch die aktuell wieder diskutierte Vertiefung der Zollunion unter Rechtsstaatlichkeits- und Demokratievorbehalt.
Abschließend betont der Antrag die Wichtigkeit, gerade unter schwierigen Bedingungen zivilgesellschaftliche und lokale Beziehungen, Verständigung, Austausch - und damit auch Schutz - zu fördern. Seit Jahren wird den Türk*Innen versprochen, dass sie genauso einfach nach Deutschland reisen sollen, wie wir in die Türkei. Gerade für den Teil der türkischen Gesellschaft, dem wir uns verbunden fühlen ist das Betteln um Visa eine demütigende und kostspielige Angelegenheit, die es erschwert, dass Partnerschaften in der Zivilgesellschaft funktionieren können. Das zu verändern setzt ein sichtbares Zeichen, dass wir zwar gegen die aktuelle türkische Regierung klare Kante zeigen, aber unsere Türen nicht für die Türkei als solches verschließen.
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